Es hat vier Jahre gedauert, bis endlich die Antikorruptionsrichtlinie der Stadt Offenbach veröffentlicht worden ist, auf der Seite der „Stabsstelle Datenschutz und Antikorruption“.

Wahrscheinlich wäre sie bis zum Sankt-Nimmerleinstag geheim gehalten worden, wenn wir nicht eine Anfrage gestellt hätten. Da hat es plötzlich nur noch vier Tage gedauert, bis die Richtlinie auch für alle Bürger und Bürgerinnen sichtbar wurde (siehe Antwort). Stutzig geworden sind wir, als wir im Dezember den Haushalt studiert hatten, da wurde sie nämlich in einer Fußnote erwähnt.

Wir fragen uns, ob das Verstecken der Antikorruptionsrichtlinie ein Versehen oder Absicht war? Mit Transparenz tun sich die Koa-Fraktionen bekanntlich sehr schwer und Antikorruption hat ja einen ähnlichen Zweck wie Transparenz. Auch die Informationsfreiheitssatzung wurde erst nach einer Anfrage von uns veröffentlicht.

Im Folgenden wollen wir erläutern, wie Transparenz, Demokratie und Korruption zusammenhängen und warum wir das so wichtig finden.

Was ist Korruption?

Kürzlich ging ein Korruptionsskandal durch die Presse, der auch allen unseren Leserinnen und Lesern bekannt sein dürfte und der leider das Vertrauen in die Demokratie erschüttern und die Politikverdrossenheit vieler Leute weiter verstärken wird. Einige der EU-Abgeordneten sind wegen Bestechlichkeit verhaftet worden. Mutmaßlich haben sie sich kaufen lassen, um sich statt für die Interessen der EU und ihrer Wähler für die Interessen von Drittstaaten einzusetzen.

Die Formen der Korruption sind vielfältig und umfassen mehr Mechanismen als nur Bestechung. Es gab sie schon zu allen Zeiten, in allen Ländern, Behörden, Konzernen, im Geschäftsverkehr und im Kleinen und Großen, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Die Bestechung der EU-Abgeordneten ist nur das neuste Beispiel. Man denke an den Cum-Ex-Skandal, Wirecard, das DFB-Sommermärchen, Helmut Kohls schwarze Kassen, die VW-Abgasaffäre, die überteuerten Markendeals, der Skandal um den ehemaligen Frankfurter OB Feldmann und viele mehr. Neben Bestechung und Schmieren gibt es Vorteilsnahme, Gefälligkeiten, Bevorzugung bei Beförderungen und Parteistipendien trotz fähigerer Konkurrenten oder Konkurrentinnen, großzügige Einladungen oder Vorteile für Angehörige, Vereine oder Parteien. Als Gegenleistung werden andere Entscheidungen getroffen als die, die bei einer ehrlichen Wissens- und Gewissensbefragung herausgekommen wären. Leider bleibt die Käuflichkeit zu oft unentdeckt!

Korruption zerstört nicht nur das Vertrauen in die Demokratie, sie zerstört die Demokratie sogar selbst und damit die Grundlagen unserer Gesellschaft. Denn Wahlstimmen zählen nicht mehr, die Gewählten verkaufen die Stimmen, die die Wähler ihnen anvertraut haben, für ihre persönlichen Vorteile. Korruption erodiert damit die Rechtsstaatlichkeit und erzeugt einen finanziellen Schaden, weil eine schlechtere Leistung erbracht wird als möglich gewesen wäre. Im Fall von Korruption in der Wirtschaft zerstört sie unseren Rechtsstaat, wenn es korrupten Kräften im Dienst des Staats möglich wird, Aufklärung und Strafverfolgung zu torpedieren, also zu verschleppen und zu vertuschen.

Korruption zerstört nicht nur das Vertrauen in die Demokratie, sie zerstört die Demokratie sogar selbst und damit die Grundlagen unserer Gesellschaft.

Antikorruption

Was kann man gegen Korruption unternehmen? Korruption geschieht im Verborgenen. Die Täter agieren in Hinterzimmern und scheuen das Licht. Das wichtigste Mittel ist daher Transparenz (link), aber nicht nur.

In der EU wird anlässlich des aktuellen Skandals über verschiedene Maßnahmen diskutiert: Reisen, Treffen, Geschenke, Vermögen, Beteiligungen, Transparenz über Klienten oder Kunden bei Beratungstätigkeiten sollen im EU-Parlament jetzt an zentraler Stelle gemeldet werden. Das EU-Parlament hat umfassende Reformen angekündigt, die wir für überfällig halten: Dazu gehört ein Lobbyverbot für Ex-Abgeordnete. Das heißt, unmittelbar nach dem Ausscheiden einer Abgeordneten muss sie erst mal eine Karenzzeit einhalten, darf also nicht sofort ihre Kontakte und ihr Insiderwissen für Vorteile für einen Interessenten ausnützen.

Die Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol fordert, dass Regelverstöße auch tatsächlich geahndet werden. Sie fordert auch, dass Zugangsprivilegien für Ex-Abgeordnete gestrichen werden. Weitere Forderungen sind: Ein unabhängiges Aufsichtsgremium, ein wirksames Lobbyregister, Transparenz aller Treffen von Lobbyisten und Parlamentsmitarbeitern, eine effiziente Verhinderung von Wahlkampfbeeinflussung und Parteienfinanzierung und Schärfung des Straftatbestands zur Abgeordnetenbestechung in Deutschland. Eine lesenswerte Pressemitteilung findet sich hier.

Abgeordnetenwatch zum Lobbyregister des Bundestages:

„Aus Transparenzsicht handelt es sich um einen Etikettenschwindel.“

Solche Forderungen müssen nicht nur an das EU-Parlament gestellt werden, sondern auch an den Bundestag, Landes- und Kommunalparlamente. Im März 2021 hat der Bundestag, viel später als Großbritannien, Frankreich und die USA, ein Lobbyregister eingerichtet. Das erklärte Ziel ist, „Strukturen der Einflussnahme durch Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter auf den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess transparent nachzuvollziehen.“ Allerdings gibt es massive Kritik: Die Nichtregierungsorganisation Abgeordnetenwatch fasst sie so zusammen: „Aus Transparenzsicht handelt es sich um einen Etikettenschwindel.“ Im Einzelnen sind dieses ihre wichtigsten Kritikpunkte u. a. die folgenden (genauer nachzulesen hier):


Die Organisation fordert daher die Offenlegung sämtlicher Lobbykontakte, die Offenlegung der Beteiligung von Lobbyisten und Lobbyistinnen an Gesetzen, sowie das Verbot von Lobbyjobs durch Abgeordnete.

Hier kann man eine Petition unterzeichnen, die beim Bundestag eingereicht werden soll.

Im Hessischen Landtag ist man noch nicht mal so weit. Vor zwei Jahren wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt, aber es streiten sich Regierungskoalition und Opposition darüber, wie viel Transparenz nötig sei. Überrascht es uns, dass die schwarz-grüne Regierung für weniger, alle Oppositionsfraktionen aber für mehr Transparenz sind? Das ist anders in Offenbach, bei uns sind nämlich SPD und FDP in der Regierung, daher sind sie sich hier mit den Grünen einig, dass man bloß nicht mehr Transparenz will, sondern eher weniger, anders als die Opposition.

Und wie ist es kommunal? In Offenbach?

Von einem Lobbyregister sind wir in Offenbach noch meilenweit entfernt. Das einzige, was es immerhin seit vier Jahren gibt, ist die geheimnisvolle Antikorruptionsrichtlinie, die jetzt seit ein paar Tagen alle sehen dürfen.

Mehr Transparenz in Offenbach

Wir haben sie uns mal genauer angeschaut. Die Richtlinie gilt für alle Bediensteten der Stadtverwaltung, nicht jedoch für Stadtverordnete. Für die, also auch unsere Stadtverordneten, gibt es eine Richtlinie für die Verwendung von Fraktionsmitteln. Als wir noch eine Fraktion waren, haben wir sie genau beachtet. Als wir keine mehr waren, mussten wir etwa 45.000 Euro zurückzahlen, die wir penibel abgerechnet haben. Das Revisionsamt nannte unsere Abrechnung „vorbildlich“, und dafür bedanken wir uns noch mal speziell bei Kalle, der ja seine eigene Entlassung abgewickelt hat. Ein wichtiges Element der Richtlinie ist: Fraktionsgelder dürfen nur für die Stadtverordnetenarbeit verwendet werden, nicht jedoch für Parteiarbeit und Wahlwerbung. Auch das haben wir ernst genommen. Unser Verein Ofa e. V. wird ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert.

Aber auch bei Kommunalabgeordneten gibt es noch andere Korruptionsrisiken als nur Zweckentfremdung von Fraktionsmitteln, denn auch sie haben Kontakte zu Interessenvertretern und Lobbyisten und können in Versuchung geraten, gegen ihre Überzeugungen deren Interessen zu vertreten. Auch wir von Ofa haben viele Kontakte zu Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen und Initiativen. Wir lassen uns auch sehr gerne beraten von Leuten, die es besser wissen als wir und die vermutlich auch Interessen haben. Wir diskutieren gerade, ob wir ein eigenes Ofa-Kontaktregister veröffentlichen.

Zurück zur Antikorruptionsrichtlinie: Sie enthält zunächst Begriffsbestimmungen (Korruption und Anzeichen für Korruption). In einem längeren Abschnitt werden organisatorische Maßnahmen gegen Korruption beschrieben, nämlich das Mehraugenprinzip, transparente Aktenführung und Dienst- und Fachaufsicht. Weiterhin ist vorgesehen, ein „Kataster besonders gefährdeter Arbeitsgebiete zu erstellen“, das regelmäßig aktualisiert und überprüft wird. Es werden auch in allen Stellen Ansprechpartner benannt und ihre Rolle definiert. Auch die Prüfungen des Revisionsamtes gehören dazu. Schließlich gibt es einen Verhaltenskodex, Fortbildungen, Regelungen zu Nebentätigkeiten, zur Annahme von Geschenken und Dokumentationen und zum öffentlichen Auftragswesen und Vergabeverfahren, Maßnahmen im Fall eines Korruptionsverdachts und einige weitere Bestimmungen.

Wir freuen uns, dass zumindest diese Richtlinie jetzt öffentlich ist.

Wir finden dies alles sehr richtig und wertvoll und freuen uns, dass zumindest diese Richtlinie jetzt öffentlich ist.

Transparenz in Offenbach

Allerdings finden wir, dass noch viel fehlt! Wir haben in Offenbach leider keine Kultur der Transparenz. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International e.V. fordert:

Der bisher in der Verwaltung geltende Grundsatz des Amtsgeheimnisses muss durch den Grundsatz der Verwaltungstransparenz ersetzt werden. Es gilt, Offenheit zur Regel zu machen und Geheimhaltung zur Ausnahme. Aus dem Informationsrecht des Bürgers sollte eine Informationspflicht für die Verwaltung werden.

Transparency International e.V.

Der Regierungskoalition ist Transparenz jedoch sehr unangenehm. Hier einige Beispiele:

Bei Förderungen und Geldzuwendungen für Vereine, Künstler oder Initiativen muss jemand entscheiden, wer wie viel bekommt. Wir finden solche Förderungen gut und wichtig. Aber wir finden es ebenfalls wichtig, dass über die Zuwendungen transparent entschieden wird. In der neu veröffentlichten Antikorruptionsrichtlinie heißt es hierzu auf S. 2:

„Als besonders korruptionsgefährdet ist in der Regel jedes Arbeitsgebiet anzusehen, das mit einer der folgenden Tätigkeiten verbunden ist: …Vergabe von Fördermitteln und Zuwendungen, …“.

Antikorruptionsrichtlinie der Stadt Offenbach, S. 2

Das leuchtet ein, denn wer eine Zuwendung bekommen will, will sich bei den Entscheidern beliebt machen. Umso wichtiger ist es, dass diese unabhängig sind und keinerlei Nebeninteressen verfolgen, wie zum Beispiel Wählerstimmen zu sammeln. Wir haben daher in der Sitzung vom 21.11.2022 beantragt, dass die Vergabe durch ein Gremium erfolgen soll, dass nicht nur vom Amt für Kultur und Sportmanagement eingesetzt, sondern demokratisch gewählt werden soll. Die Grünen unterstellten uns aber sofort, dass wir das Amt beschuldigen, korrupt zu sein.

Nein, wir beschuldigen niemanden, uns geht es aber grundsätzlich um die Verfahren! Die allermeisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung sind nicht korrupt, aber wenn Vorgänge intransparent sind, weiß man es eben nicht. Je intransparenter Vorgänge sind, desto weniger kann man aufklären. Es ist ganz im Sinn der nicht korrupten Menschen, dass Strukturen transparent gestaltet sind.

Ähnlich lief es auch schon mit einem Antrag, den wir am 21.07.2022 gemeinsam mit der CDU gestellt hatten. Da wollten wir mehr Transparenz bei der Förderung von Vereinen und Aktivitäten durch die städtischen Gesellschaften. Diesen Antrag hat die Koa auch abgelehnt. OB Dr. Schwenke sprach davon, dass wir unterstellten, es seien „böse Mächte“ im Gange.

Transparenz heißt auch, dass der Öffentlichkeit regelmäßig berichtet wird, welche Beschlüsse umgesetzt werden und welche liegen bleiben. Am 11.11.2021 hatten wir gemeinsam mit CDU, Freien Wählern und Linken beantragt, dass solche Berichte veröffentlicht werden.

Dies lehnten die Koa-Fraktionen auch ab. Das Hauptargument gegen diesen Antrag war: Es sei zu teuer, zu berichten, was man macht. Stadtrat Weiß forderte, dass die Bürger und Bürgerinnen sowie die Stadtverordneten grundsätzlich Vertrauen zu haben hätten, dass die Beschlüsse auch ohne Transparenz stets vorbildlich umgesetzt würden. Aber genau das passiert ja gerade nicht.

Uns geht es um Strukturen: Auch die allermeisten EU-Abgeordneten sind nicht korrupt, aber eine kleine Gruppe in höchsten Positionen war es. Das Misstrauen ist groß, dass nur die Spitze eines Eisbergs entdeckt worden ist. Wir unterstellen niemandem in Offenbach, korrupt zu sein, aber die Offenbacher Heimlichtuerei lässt Schlupflöcher offen. Demokratie funktioniert aber nur, wenn die Leute Vertrauen haben, dass ihre Gewählten redlich sind. Das Vertrauen entsteht nicht dadurch, dass es ein Verantwortlicher einfordert, aber gleichzeitig Transparenz zu seinem Tun verweigert.

Wir von Ofa werden dranbleiben. Eins unserer wichtigsten Themen ist Transparenz, Demokratie und Antikorruption.

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