Digitalwüste Deutschland

Wir alle kennen es: Den mühseligen Papierkram, wenn man etwas von den Behörden will. Das kann vieles verschiedenes sein: Ausschank, Mietwagengenehmigung, Fundsachen, Miteinbürgerung, Ausweisverlängerungen, Straßenschäden, Baumfällgenehmigung, Eheschließung, Sterbeurkunde, Wohnberechtigungsschein, Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen, Kitagebühr, Baugenehmigung, Veranstaltung, wilder Müll, Bestattung, Pflegewohngeld … und vieles mehr!

Wie schön wäre es, wenn die Digitalisierung bei uns so fortgeschritten wie in den meisten anderen EU-Ländern wäre! Man könnte alles bequem von zu Hause mit dem PC erledigen, man hätte es nur noch mit Online-Formularen zu tun, die einfacher wären als die derzeitigen Papierstapel. Auch alle Bestätigungen kämen digital und wären gerichtsfest. Und wer keinen PC hat oder Ängste, könnte schnell eine Anlaufstelle finden, wo jemand hilft und die Aufgaben gemeinsam erledigt werden. Mit weniger Bürokratie und mit besser Digitalisierung ginge das dann zügig.

Leider hinken wir in Deutschland vielen anderen Ländern um bis zu 20 Jahre hinterher.


Warum leben wir in Analogistan?

Einiges klappt in Offenbach schon sehr gut, z.B. die Terminvergabe für das Bürgerbüro, Passverlängerung für Deutsche oder Führerscheinumtausch, aber anderes dauert und ist mit Komplikationen ohne Ende verbunden, z.B. Baugenehmigungen, Kitaplätze oder Einbürgerungen, Erbscheine und vieles mehr. Aber auch wo es gut klappt, gibt es immer noch viel Papierkram im Hintergrund. Zwar werden manche Daten schon in Online-Formularen eingelesen, aber im Amt werden sie dann doch wieder ausgedruckt, um sie vorschriftsmäßig weiterzuverarbeiten. Das kostet viel Arbeitszeit und bindet Personal. Es haben sich im Laufe der Zeit so viele Regeln für die Arbeitsabläufe angesammelt, dass die eigentliche Arbeit zu kurz kommt. Das ist frustrierend, sowohl für die Verwaltungsmitarbeiter als auch die Bürgerinnen. Daher sind die Bearbeitungszeiten oft unverhältnismäßig lang, weil sich die vielen Regeln und Vorschriften zum Teil widersprechen, und weil die zu große Zahl der Beteiligten, Vorgänge und Zuständigkeiten Sand im Getriebe sind.

Der Gründe dafür sind nicht nur die fehlende Digitalisierung, sondern auch die Bürokratisierung, die im Laufe der Jahre immer weiter gewachsen ist, zusammen mit konservativer Trägheit, Angst vor Veränderungen und fehlender Digitalbildung in allen Ebenen, angefangen bei den Chefs.

2017 hat der Bundestag das Online-Zugangsgesetz (OZG) verabschiedet. Es verpflichtete Bund und Länder, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 575 Verwaltungsleistungen digital anzubieten. Es gab auch reichlich Fördermittel. Leider ist das OZG krachend gescheitert! Der Normenkontrollrat spricht von einem „Desaster“ (SZ, 31.07.2023, S. 3) Nicht nur Offenbach, sondern fast alle Kommunen in Deutschland hinken massiv hinterher, überall beobachtet man nur Stückwerk. „Irgendwie“ soll jetzt die Stadt „smart“ werden, genaueres weiß man leider nicht.


Besonders langsam: Offenbach!

In Offenbach ist man außerdem viel zu spät in die Gänge gekommen. 2017 ist die „Stabsstelle Digitalisierung“ eingerichtet worden, aber erst vier Jahre danach, 2021, wurde sie besetzt. Auf Nachfragen, was die denn machen solle, kam nur: Geld einwerben. Tatsächlich ist das mittlerweile wohl etwas gelungen, denn es scheint in der Stabsstelle jetzt weitere Mitarbeiter zu geben, auf befristeten Stellen. Leider ist der Zug für mehr Geld schon wieder abgefahren, bei der Neuauflage des OZG wurde jetzt nämlich massiv gekürzt! Eine Entscheidung, für die man die Bundesregierung gar nicht genug kritisieren kann! Deutschland verspielt seine Zukunft!

Aber was genau die Stabstelle eigentlich macht, ist intransparent. Wir haben nachgefragt, Anträge gestellt, dass berichtet werden soll, sogar mal versucht, direkt das Gespräch zu suchen… alles vergeblich, es soll auf Wunsch der Koalition (SPD, Grüne, FDP) nur einmal pro Jahr im Hauptausschuss berichtet werden, und das nur mündlich. Schriftlich nur Kurzes! Nicht, dass da etwa zu viele Infos in die Öffentlichkeit gelangen!. In der Offenbach-Post vom 17.03.2021 stand zu der Arbeit der AG: „„Es wurde bereits eine erste Vorlage erarbeitet“, berichtet Verwaltungschef Schwenke. Um welches Vorhaben es sich allerdings drehe, könne er noch nicht verraten, das müsse zunächst noch intern besprochen werden.“ Bis heute wissen wir nicht viel. Ob der OB überhaupt damals selbst etwas mehr wusste, ist uns nicht bekannt.


Transparenz zur Digitalisierung? Pustekuchen!

Es gab auch mal eine AG Digitalisierung, in der „Führungs- und Fachkräfte aus verschiedenen städtischen Ämtern und aus den Stadtwerken gemeinsam an Konzepten arbeiten.“ https://www.offenbach.de/rathaus/digitalisierung.php. Man braucht auf dieser Link gar nicht mehr zu klicken, er ist inzwischen klammheimlich wieder von der Seite gelöscht worden, nämlich kurz nachdem wir ihn in einem Blogbeitrag https://www.ofa-ev.de/2022/02/28/ag-digitalisierung/ zitiert hatten. Ob es diese AG überhaupt jemals gegeben hat, wissen wir nicht. (Dass auf der Seite der Stadt so oft Beiträge einfach gelöscht werden, anstatt sie für die spätere historische Aufarbeitung in einem Archiv aufzuheben, kritisieren wir von Ofa übrigens auch!)

Die FDP hatte das Glück, die Stabsstelle Digitalisierung mal zu einer ihrer Fraktionssitzungen einladen zu dürfen. Wir nicht, weil der Herr OB Schwenke kein Vertrauen zur Ofa hat, wie er persönlich in einer Sitzung des HFDB bestätigte. Diese Vermischung von Amt und Koalitionszugehörigkeit und die daraus resultierende Ungleichbehandlung der Fraktionen halten wir für nicht rechtens. Herr Schwenke streitet das heute ab, aber es gibt Zeugen genug. Mehr dazu siehe hier: Geheimniskrämerei: Was macht die AG Digitalisierung? (Die Digitalkompetenz der FDP lässt trotzdem zu wünschen übrig: Siehe nächster Abschnitt: Man tut sich schwer mit PDFs)


Ein kleines Beispiel für digitale Inkompetenz; Man tut sich schwer mit PDFs

Wir merken es auch als Stadtverordnete: Dokumente werden zwar maschinell erstellt, aber dann erst wieder ausgedruckt, um dann später wieder eingescannt zu werden. Das muss sein, weil unbedingt noch persönliche Unterschriften und ein Stempel darauf kommen müssen. Dabei passieren auch Fehler: Einmal haben wir zum spätestmöglichen Zeitpunkt ein pdf-Dokument von 800 Seiten bekommen, über das wir bei der nächsten Stadtverordnetenversammlung abstimmen sollten. Leider war es nicht digital durchsuchbar, also man konnte nicht mal ermitteln, ob bestimmte Stichworte darin vorkamen, ohne jede Seite durchzulesen. Ein Akt der Unmöglichkeit! Im Ausschuss haben sich viele beschwert, aber Herr Stadtrat Weiß (FDP) erklärte in einer 10-minütigen Rede, dass es zu viel Arbeit sei, ein solches Dokument durchsuchbar zu exportieren. Er ist der Chef seiner Abteilung und müsste wissen, dass diese Arbeitszeit etwa 5 Minuten gewesen wäre, viel kürzer als die Dauer seiner Rede im Ausschuss.

Dieses kleine, aber typische Beispiel zeigt nur eine der Ursachen für unser Problem, dass Deutschland mit der Digitalisierung immer weiter abgehängt wird: Die Chefs in den Leitungsfunktionen sind nicht nur nicht vom Fach, sie interessieren sich auch nicht. Sie denken, es gäbe dafür in den unteren Rängen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das schon irgendwie machen. Das ist das Gegenteil einer Strategie.


Was würde ich anders machen?

Als Oberbürgermeisterin würde ich vieles anders machen:


Zum Weiterlesen:

Wir haben viele Anträge zur Digitalisirung gestellt, Berichte darüber geschrieben, Anfragen eingereicht und Meinungsbeiträge veröffentlicht. Eine Übersicht findet sich hier: www.ofa-ev.de/digitalisierung/


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