Was wollen wir?

Digitalisierung ist auch in Offenbach wichtig und sollte deshalb ein Thema für die Kommunalpolitik sein. Aber was genau heißt das? Die Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse und Vorstellungen. Viele haben den Papierkram und die Bürokratie, das Warten auf Termine und das Anstehen in den Ämtern satt und wollen alles bequem von zu Hause erledigen. Gewerbetreibende wollen vor allem Infrastruktursicherheit, ein schnelles Internet und eine schlanke Bürokratie, sowie Flexibilität beim Wechsel von Anbietern ohne in Abhängigkeiten zu geraten. Andere Mitbürger und Mitbürgerinnen sind nicht computeraffin und haben Angst vor Veränderungen oder davor, sich mit komplizierter Technik abzugeben. Sie brauchen schnelle und freundliche Hilfestellungen. Weitere Beispiele für Bedürfnisse sind Barrierefreiheit, die Angst davor, ausspioniert zu werden, also Schutz der Privatsphäre, die bequeme und offene Nutzung von Daten und vollständiger Informationen und nicht zuletzt die demokratische Mitbestimmung.

Wir haben ja erlebt, wie geflüchtete ukrainische Schulkinder hier in Offenbach ihre Tablets eingeschaltet und digitalen Unterricht aus der Heimat bekommen haben. So was ist leider undenkbar bei uns, auch nach der langen Pandemiezeit. In vielen anderen Ländern ist dagegen öffentliches WLAN eine Selbstverständlichkeit und schnelles Internet ist überall zu bekommen. Dort sind Verwaltungen auch komplett digitalisiert und lassen sich bequem von zu Hause mit wenigen Klicks erledigen. Auch Bürger und Bürgerinnen, die nicht so technikaffin sind, finden sich dort zurecht und bekommen Hilfestellungen.

Es kommt also darauf an, wie die Digitalisierung gestaltet wird. Wie bei allen wichtigen Vorhaben in der Kommunalpolitik muss das in einer transparenten Weise geschehen, bei der sich alle beteiligen können.

Probleme bei uns: Das Beispiel Datensilos

Datensilos können ihre Daten schlecht untereinander austauschen.

Leider sind unsere Verwaltungen in Deutschland noch nicht so weit. Ein Beispiel: Der Staat ist unfähig, die Besitztümer seiner Bürgerinnen und Bürger für die Grundsteuerberechnung selbst zu beschreiben, obwohl ihm die Daten vorliegen. Aber diese Daten sind in einem Format, das nur für ein bestimmtes Amt geeignet ist. Denn die Ämter benutzen unterschiedliche Software und haben sich an unterschiedliche Verfahren gewöhnt. Meistens sind diese nicht miteinander kompatibel. So spart man Geld und lässt lieber die Bürger und Bürgerinnen die Arbeit machen und die Daten neu erstellen. Man nennt das Problem, dass Daten immer wieder neu erfasst werden müssen, weil sie nicht miteinander kompatibel sind „Datensilos“. Wir finden Datensilos mehr oder weniger in jeder kommunalen Verwaltung und auch in größeren Organisationen, selbstverständlich auch in Offenbach.

Jede Abteilung hat sich im Laufe der Jahre ihre eigenen Verfahren entwickeln, sammelt Daten und benutzt Software. Dabei handelt es sich zwar oft um die gleichen Daten, aber leider liegen sie in unterschiedlichen Formaten vor. Die Software ist fast immer proprietär, und so lassen sich Datensätze nicht mit anderer Software lesen und man kann sie auch nicht einfach konvertieren. Außerdem sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihre althergebrachten bürokratischen Verfahren gewöhnt und oft nicht bereit, diese aufzugeben. Das ist ein Problem, das immer auftaucht, wenn irgendwo Reformen anstehen und man sich die Mühe machen muss, etwas Neues auszuprobieren und zu lernen. Man nennt dies die „konservative Trägheit“. So kochen lieber weiter alle ihre eigenen unterschiedlichen Süppchen.

Gerne wird das Problem des schwierigen Datentransfers auf die DSGVO geschoben. Aber das ist falsch, nach der DSGVO haben die unterschiedlichen Ämter ein berechtigtes Interesse, auch bestimmte personenbezogene Daten ihrer Bürger und Bürgerinnen zu nutzen. Die aufgeblähte Bürokratie und die inkompatiblen Datensätze haben damit nichts zu tun.

Datensilos und wie man sie aufbricht, sind nur ein Beispiel für die vielen Projekte, die dringend nötig sind. Wir brauchen ämterübergreifende Plattformen mit offenen Standards, damit nicht jede Datenerfassung wieder und wieder erfolgen muss. Offene Standards heißt: Die Daten werden in einem Format gespeichert, an dem keine Firma Rechte hat und die keine proprietäre Software voraussetzen, sodass man sie einfach importieren und exportieren kann. Beispiele für solche Formate sind XML oder CSS. Wir hatten im Juni 2022 einen Antrag gestellt, dass Offenbach Daten, die mit Steuergeldern erfasst worden sind, in offenen Formaten der Allgemeinheit zur Verfügung stellen soll. Leider wurde der Antrag abgelehnt, aus Gründen, die wir nicht verstehen.

Das Online-Zugangsgesetz (OZG)

Bekanntlich verfolgt die Bundesregierung eine Digitalstrategie: Deutschland soll endlich wieder internationalen Anschluss finden.

Das soll sich nun ändern: Die Digitalstrategie der Bundesregierung ist sehr ambitioniert. Das Onlinezugangsgesetz (OZG), das 2017 beschlossen wurde, verpflichtet Bund und Länder, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten. Es wäre schön, wenn das klappen könnte, und es gibt auch reichlich Fördermittel.

Leider ist abzusehen, dass das Ziel auch nach fünf Jahren mitnichten erreicht werden wird, nicht in Offenbach und auch in anderen Kommunen wohl nicht. Es sollen nach dem OZG 575 Einzelverwaltungsleistungen umgesetzt werden, die in 14 Themenfelder gegliedert sind.

Zufällig ausgewählte Beispiele für die vielen Hundert Verwaltungsleistungen, die auch in Offenbach komplett online funktionieren sollen, sind: Briefwahl, Europawahl, Grundsteuer, Antrag Kurzzeitkennzeichen, Lärm/Staub – Beschwerde über eine Baustelle, Ausschank, Mietwagengenehmigung, Fundsachen, Miteinbürgerung, Straßenschäden, Baumfällgenehmigung, Eheschließung, Sterbeurkunde, Wohnberechtigungsschein, Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen, Kitagebühr, Baugenehmigung, Veranstaltung, wilder Müll, Bestattung, Pflegewohngeld …

Die konkrete Planung und Umsetzung des OZG liegt in der Verantwortung der jeweiligen Amtsleitungen. Zuständig für die Umsetzung sind u. a : das Wahlamt, der Fachdienst allgemeine Verwaltung, Steueramt, Straßenverkehrsbehörde, Ordnungsamt, Einwohnermeldeamt, Fachdienst Naturschutz, Standesamt, Sozialamt, Ausländerbehörde, Jugendamt, Schulamt, Bauamt, Friedhofsamt und viele weitere. Manche Leistungen sind schon online verfügbar, viele andere jedoch nicht. Manche sind teilweise digital verfügbar, z. B. kann man den bürokratischen Prozess online starten, aber dann stellt sich heraus, dass doch noch Unterlagen in Papierkopie nachgereicht werden müssen.

Smart City – das Buzz-Wort des Jahres!

Smarty Citty! (Bild erzeugt mit der künstlichen Intelligenz Dall-E)

Ein wichtiges Buzz-Wort ist „Smart City!“ Es ist schwer in Mode und man liest und hört es überall. Gern wird es als Synonym für „kommunale Digitalisierung“ verwendet, weil es sich cooler und weniger bürokratisch anhört. Aber was ist das genau? Die Stadt Offenbach hat zusammen mit mehreren anderen hessischen Städten Fördermittel für das Projekt „Open Smart Cities“ bekommen. Das hört sich toll an, und wenn man nachforscht, was das sein könnte, findet man viele Hinweise. Zum Beispiel liest man auf der Webseite der Stadt ein Zitat von OB Dr. Schwenke:

„Gemeinsam wollen wir echte Digitalstädte werden und setzen bei Smart City nicht nur auf die Technik, sondern auf die Menschen. Wir wollen herausfinden, was die Menschen künftig benötigen, damit ihr Leben durch Daten und neue Technologien komfortabler und einfacher wird. Die intelligente Stadt von morgen zeigt den Bürgern, wie sie Baustellen umfahren können, wann der Mülleimer geleert werden muss oder Straßenbäume Wasser benötigen. Das alles sind konkrete Mehrwerte, die wir durch eine intelligente Erhebung und Nutzung von Daten für die Bürgerinnen und Bürger schaffen wollen.“

OB Dr. Schwenke am 04.03.2022 auf der Webseite der Stadt


„Echte Digitalstädte“ setzen also vielerlei Maßnahmen um, die den Bürgern und Bürgerinnen viel zeigen und ihre Daten intelligent erhebten Ob das aber grundsätzliche Probleme wie zu komplizierte bürokratische Verfahren und Datensilos behebt?

Kritik: Warum ist die Digitalstrategie der Bundesregierung ein Irrweg?

Auch für die Bundesregierung haben Smart Cities eine hohe Priorität und viele Fördermittel stehen bereit. Aber auch hier handelt es sich eher um eine Sammlung vieler Einzelmaßnahmen, die vor allem der Wirtschaftsförderung dienen und nicht um eine Gesamtstrategie. Die Bundesregierung betreibt auch einen „Smart City Index„, auf dem Offenbach leider weit hinten liegt, zurzeit auf Platz 72.

Zur Ehrenrettung unserer Stadt muss man allerdings sagen, dass dieser Index kaum etwas taugt und kaum eine Aussagekraft hat. Die Kritik wird in diesem Beitrag des Bloggers Stefan Kaufmann gut zusammengefasst: Menschen, die auf Rankings starren: Erstens verwendet der Index willkürliche Kriterien, die nicht nachvollziehbar sind. Es werden nämlich nur einige intransparent ausgewählte Einzelmaßnahmen bewertet, die obendrein alle Jahre geändert werden. Zweitens lenkt der Smart City Index von den eigentlichen Problemen ab, nämlich dem Fehlen einer übergeordneten Gesamtstrategie, die strategisch eine durchlässigere Struktur schaffen und Vorgänge vereinfachen könnte. Drittens scheinen die Bewertungen irgendwie gewichtet zu sein, leider ist es nicht transparent wie dies geschieht. Viertens spielen Kriterien wie die Darmstädter Leitlinien offensichtlich keinerlei Rolle, z. B. die Verwendung von offenen Standards. Hierzu hatten wir ja schon mal einen Antrag (Open-Data-Plattform) gestellt, der leider abgelehnt wurde. Das Fazit dieser Kritik ist, dass das Ranking der Bundesregierung wertlos und unlauter sei. Auch wir von Ofa legen Wert auf nachvollziehbare und belegbare Fakten und Analysen und schließen uns daher der Kritik an. Es scheinen mehr oder weniger die Interessen von Konzernen verfolgt zu werden.

Auch in diesem Beitrag des Vereins D64 Wir vermissen eine Zeitenwende in der Digitalstrategie! wird die Digitalstrategie der Bundesregierung massiv kritisiert. Er hält die Digitalstrategie für einen Irrweg. Es solle nur „ein Pflichtheft der Regierung (nun aber wirklich endlich) abgearbeitet werden … alles Projekte, die den Bürger:innen schon vor Jahren versprochen wurden und deren Umsetzung bislang ausbleibt. Frei nach dem Motto: Wir hängen die Messlatte nicht allzu hoch, dann schaffen wir es auch drüber.“ Und „Die digitale Transformation bedarf weniger marketing-optimierter Einzelmaßnahmen in bestimmten Bereichen des Staates als vielmehr einer Gesamtperspektive, wie wir die Gesellschaft von morgen digital gestalten wollen.“ So sehen wir das auch!

Vor allem kritisiert der Beitrag, dass die Zivilgesellschaft ausgeklammert wird. Zwar wird sie in Ausschreibungen angeführt und auch im Zitat unseres OB oben erwähnt, in der Ausführung spielt sie jedoch keine Rolle. Sie sei laut D64 nur „Verwaltungsvorgang in Hinterzimmern ohne breite Einbeziehung der Öffentlichkeit geplant“. Ja, leider, das bringt es auf den Punkt. Das Thema „Hinterzimmer statt Bürgerbeteiligung“ hatten wir ja schon öfter.

Was wollen wir, die Ofa?

Die Kritik im vorigen Abschnitt richtet sich zwar vor allem an die Bundesregierung, aber sie spielt kommunal genauso eine Rolle. Daher sollten wir unsere Lehren daraus für Offenbach ziehen und es bei uns anders machen. Es wird ja überall kritisiert, dass Bürgerbeteiligung nur ein Lippenbekenntnis sei, aber nicht umgesetzt werden würde, dass es stattdessen nur um Wirtschaftsinteressen gehe. Wir haben also einen Antrag (Bürgerbeteiligung beim Vorhaben „Smart-City-Entwicklungen“) gestellt, der eigentlich selbstverständlich sein sollte: Bei allen wichtigen Vorhaben, die unsere Stadt und die Stadtgesellschaft betreffen, muss nämlich eine Bürgerbeteiligung stattfinden. So also auch bei dem Zukunftsprojekt Digitalisierung!

Wir beantragen daher, dass die Leitlinien zur Bürgerbeteiligung angewendet werden. Zurzeit werden mehrere Beteiligungsvorhaben durchgeführt oder sind schon abgeschlossen (https://www.offenbach.de/buerger_innen/rathaus-politik/buergerbeteiligung.php). Die Leitlinien sehen explizit vor, dass die Bürgerbeteiligung ansetzt, solange noch Gestaltungsspielraum im Planungsprozess offenbleibt (Leitsatz 2 der Leitlinien). Daher ist es eigentlich selbstverständlich, dass bei der Digitalisierung auch die Bürgerschaft einbezogen wird. Immerhin lässt sich Herr Dr. Schwenke ja damit zitieren, dass er im Projekt Open Smart Cities „auch auf Menschen setzt“. Theoretisch wird das immer gefordert, praktisch passiert ist das bisher leider nicht. Unsere Koa und unser OB persönlich haben sich immer gegen jede Beteiligung oder auch nur Transparenz gesträubt:

Bisher ist Offenbach also das Paradebeispiel dafür, wie es nicht laufen soll.

P.S. an die Presse: Sie dürfen gerne wieder abschreiben, aber es wäre nett, wenn Sie dann auch die Quelle nennen würden. Vielen Dank!

Zum Weiterlesen:

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