Als Knöllchenposse bezeichnete die Offenbach Post in ihrer Ausgabe vom 19. Mai 2022 den Umstand, dass die digitale Parkraumüberwachung des Parkplatzes am Roller-Möbelmarkt auch die Falschen getroffen habe. Neben den Parksündern, die den Kunden-Parkplatz widerrechtlich genutzt hatten, wurden auch Kunden eines Gastronomiebetriebs zur Kasse gebeten. Denen war die Nutzung des Parkplatzes jedoch ebenfalls gestattet, wie berichtet wurde.
Ob die Software der künstlichen Intelligenz nun zu dumm war (laut Schlagzeile der Print-OP), um die richtigen Parksünder zu identifizieren oder die Grillhausbesucher reihenweise abkassiert wurden (laut Schlagzeile der Online-OP) soll jetzt nicht Gegenstand der Betrachtung sein.
Wesentlich interessanter erscheinen einige Fragen zum Datenschutz, der uns allen auch bei einem so banalen Vorgang wie dem Parken auf einem Parkplatz begegnen kann. In dem beschriebenen Falle handelt es sich um einen privaten Parkplatz.
Videoüberwachung: Erhebung personenbezogener Daten
Die Aufnahme von Personen auf einem öffentlichen oder privaten Gelände einer Firma stellt eine Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten dar. Hierfür muss es eine rechtliche Grundlage geben, die die Datenerhebung über eine Kameraüberwachung rechtfertigt.
Nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f der Datenschutzgrundverordnung ist dieses das sogenannte berechtigte Interesse. Der Parkplatzbesitzer hat ein berechtigtes Interesse, die Nutzung seines Parkplatzes nur durch Kunden zu schützen und Falschparker abzuwehren.
Der § 4 (Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume) des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) definiert zur Zulässigkeit in Abs. 1 Ziff. 3 das Vorliegen eines berechtigten Interesses für konkret festgelegte Zwecke. Auch wird hier die Videoüberwachung von Einkaufszentren oder Parkplätzen erwähnt und diese Orte definiert, bei denen der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von dort aufhältigen Personen als ein besonders wichtiges Interesse gilt. Der Schutz bezieht sich hier auf die Personen, nicht auf den Parkraum im Sinne eines Eigentums.
Personenbezogen sind die Daten, wenn die Personen auf den Kameraaufnahmen zu erkennen sind oder auch die Kennzeichen der Fahrzeuge erfasst sind, aus denen Personen zugeordnet werden können.
Neben der Formulierung des berechtigten Interesses muss auch eine Interessensabwägung erfolgen. Darunter ist zu verstehen, dass die Interessen der beteiligten Parteien ganz genau und gründlich abzuwägen sind. Pauschale Anführungen von Argumenten wie die Sicherheit von Personen, Schutz des Eigentums usw. sind meist nachvollziehbar, aber in vielen Fällen nicht automatisch überwiegend.
Der bisher erfolgte konkrete Missbrauch des Eigentums (die nichtberechtigte Nutzung des Parkplatzes) ist ein Argument für die Überwachung durch Kameras. Das Gelände eines Betriebes zu überwachen ist also möglich, insofern es sichtbar für die Menschen ist, welche das Gelände betreten, es ausgeschildert ist, dass das Gelände mit einer Videoüberwachung überwacht wird und man aufgezeichnet wird. Es ist allerdings nicht erlaubt, die öffentliche Straße oder das angrenzende öffentliche Gelände zu filmen und mit der Kamera zu überwachen.
Private Parkraumüberwachung durch Dritte
Die Parkraumüberwachung auf dem Parkplatz des Roller-Möbelmarktes erfolgt durch das private Unternehmen Parkvision. Auf seiner Webseite betont das Unternehmen:
Personen, Tiere und personenbezogene Daten werden mithilfe unserer hauseigenen intelligenten Software unkenntlich gemacht und getrackt. Konformer Datenschutz wird bei Parkvision gewährleistet.
Seinen Kunden verspricht das Unternehmen eine Digitale Aufsicht ihrer Fläche.
Die Falschparker sollen schnell merken, dass durch die exakte Parkzeiterfassung rund um die Uhr der herkömmliche Parkvorgang auf fremder Stellfläche nicht mehr funktioniert.
Das Unternehmen garantiert ein rechtskonformes, übersichtliches Beschilderungskonzept. Die Parkplatznutzer sind demnach über die digitale Kameraüberwachung informiert.
Wir haben uns das vor Ort angesehen. Auf dem Parkplatz sind überall große Schilder mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Hinweisen zum Datenschutz bei Videoüberwachung (gem. § 4 BDSG, Artikel 13 und 14 DSGVO) angebracht. Man muss aber schon vor diesen Schildern stehen und die Regelungen durchlesen. Aus dem Auto heraus ist das Kleingedruckte nicht zu lesen.
Das Unternehmen beruft sich auf folgende Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und informiert die Parkplatznutzer darüber:
- § 4 BDSG (Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume)
- § 4 Abs.1.2 und 1.3 BDSG (Wahrnehmung des Hausrechts, Wahrnehmung für einen berechtigten konkreten Zweck)
- § 26 BDSG (Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses)
- Art 6 Abs. 1 Buchstabe a DSGVO (Einwilligung)
- Art 6 Abs. 1 Buchstabe b DSGVO (Erfüllung des Parkvertrages, laut AGB)
- Art 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO (Vorliegen eines berechtigten Interesses)
Wertvolle Statistiken: Parkraumüberwachung, Datensammeln und Datenschutz
Einige Fragen hinsichtlich des Datenschutzes tauchen jedoch auf, denn das Unternehmen verspricht seinen Kunden zusätzlich „Wertvolle Statistiken“.
„Unsere digitale Parkraumaufsicht kann Auslastung, Personenanzahl, Heatmap, Parkdauer, Geschlechter und Fahrzeugart angenehm, einfach DSGVO-Konform & anonymisiert auswerten. Optimieren Sie Geschäftsabläufe und Marketingmaßnahmen mit unseren kostenfreien Statistiken“ […] „Nutzen Sie die anonymisierten Daten unserer digitalen Parkraumaufsicht für Marketingmaßnahmen. Unterstützen Sie mit diesen wertvollen Hinweisen Ihre Marketingstrategien und ermitteln dadurch optimale Standorte auf Ihren Flächen für Werbekampagnen.“
Diese Statistiken beruhen auf den erhobenen Daten aus der Videoüberwachung, die der Parkplatzbesitzer aufgrund seines definierten berechtigten Interesses durchführen kann. Fragwürdig ist allerdings die Weiterwertung von erhobenen Daten zu Marketingzwecken. Hier ist ein vollkommen anderer Zweck der Datenverwendung zu erkennen, der nicht mehr aus dem berechtigten Ausgangsinteresse des Parkplatzbesitzers abzuleiten ist. Das Geschäftsmodell des privaten Parkraumüberwachers spielt hier also eine datenschutzrelevante Rolle.
Vor Ort haben wir auf den Schildern mit den AGB und Datenschutzerläuterungen keinen Hinweis auf die Verwendung der erhobenen Daten zu Marketingzwecken gefunden.
Als Offenbach für alle interessieren uns für diese Vorgänge und die dahinterstehenden gesetzlichen Regelungen. Die Ofa steht für den Schutz der Rechte der Bürgerinnen und Bürger, Transparenz, Datenschutz und Bürgerbeteiligung. Wir haben uns daher mit dem Unternehmen in Verbindung gesetzt und um weitere Erklärungen zu den datenschutzrechtlichen Grundlagen gebeten.
Ein solch alltägliches Ereignis, wie das Parken eines Autos zeigt, wie sehr wir alle von der Erfassung unserer räumlichen Aktionen und der Nutzung unserer Daten durch Dritte betroffen sein können.
Das ist mehr als eine Posse. Hier geht es um das Grundrecht auf Datenschutz und wir hinterfragen einfach, was da draußen so alles vor sich geht.
Was wäre, wenn ihr persönlicher, von ihnen monatlich teuer bezahlter Parkplatz vor ihrer Haustür ewig von Fremdparkern belegt wäre? Wenn sie mit ihren Einkaufstüten dann weit laufen müssten um nach Hause zu kommen? Und das jeden Tag.
Würden sie nicht auch, wäre dies theoretisch möglich, versuchen, dies unter allen Umständen zu verhindern?
Oder stellen sie dich doch einfach vor, sie würden gerne eine Couch bei Roller einkaufen und diese gleich mit nach Hause nehmen. Und dann ist der Parkplatz bis auf das letzte Eckchen belegt von den Angestellten der großen Firmen ringsherum, von Urlaubern, die ihre Autos mehrere Wochen dort abstellen weil sie in die Heimat reisen und den Besuchern des Schnellrestaurants gleich nebenan. Wenn sie dann mit ihrer Couch mehrere 100 Meter laufen müssen, da sie als Kunde ja keinen Parkplatz bekamen, wären sie dann nicht auch sauer? Natürlich dann auf das Möbelhaus, auf wen auch sonst. Auf jeden Fall hat Roller immer den schwarzen Peter. Es wird geschimpft und negativ geurteilt von allen Falschparkern, gibt es keinen Parkplatz schimpfen alle Kunden, die mit ihren Einkäufen ewig weit laufen müssen. Vielleicht denken die alle einmal darüber nach.
Sorry, aber ich bin quasi Stammkundin auf diesem Parkplatz.
Der ist NIE voll belegt ! NIE !
Wenn man z.B. Nachmittags oder Abends gerne bei MCD was essen möchte oder ein UBER Fahrer seinen Fahrgast rauslässt finde ich das völlig überzogen und es ist ABZOCKE !
PUNKT!
Sehr empathisch gegenüber einer ziemlich großen Firma, die dann noch – Äpfel und Birnen lassen grüßen – mit der Situation eines Einzelnen verglichen wird.
Was ist denn daraus geworden ? Habe kürzlich einen Strafzettel bekommen, weil ich einen Transporter von Hertz24 gemietet hatte. Hertz ist Partner von Roller, der Transporter steht auf dem Roller Parkplatz und ich habe meinen eigenen PKW natürlich daneben abgestellt. Neben dem ungerechtfertigten Strafzettel interessiert nich natürlich der Datenschutz. Meine Daten werden also ans Marketing von Roller weiter gegeben ? Das würde dem Datenschutz widersprechen. Gibt es einen Datenschutzbeauftraten der Stadt Offenbach, der sich das mal angeschaut hat ?
Mit Parkvision hat die Überwachung des Parkraums eine ganz andere Qualität gewonnen. Das Abkassieren der 40€ Vertragsstrafe ist ein Aspekt. Dagegen kann man erfolgreich Widerspruch einlegen (Schilder sind in rechtlicher Hinsicht nicht ausreichend, Unwirksame Widerspruch Klausel in AGBs).
Der zweite Aspekt ist die Management des Parkraums außerhalb der Geschäftszeiten. Hier erhofft sich Parkvision neue Einnahmequellen durch kontrolliertes vermieten der Parkflächen an Dauerparker.
Der dritte Aspekt wird auf der Parkvision Internetseite als „digitale Schranke“ beschrieben. Parkvision verwendet KI Software die Laufwege erfasst und mit Gesichtserkennung arbeitet. Für alle Fahrzeuge wird eine Kennzeichenabfrage durchgeführt. Früher dachte ich das darf nur die Polizei aber mittlerweile ist das einer ganzen Reihe von Personengruppen erlaubt. Aus diesen Daten wird auf dem ParkVision Server sicherlich ein Datenmodell mit personenbezogenen Daten aus dem KFZ Kennzeichen wie Name und Anschrift, Daten aus der Gesichtserkennung wie Alter/Geschlecht und Daten aus der Laufwegeüberwachung erstellt. Das wird immer wieder verbessert wenn das Kennzeichen auf einem von Parkvision überwachten Parkplatz gesichtet wird (z.B. Roller, KIK, Mix Market usw). Damit kann man die Veränderung des Gesichts (altern, Brille) verbessern und auch Personengruppen die das Auto benutzt haben der Adresse zuordnen. Eine gut funktionierende KI Software braucht für die Auswertung einen riesigen Datenbestand. Deshalb ist der Service von Parkvision für den Supermarkt kostenlos. Der Bonus für die Firma Parkvision ist der Deutschlandweite Datenbestand von Kunden, wie sehen sie aus wie bewegen sie sich , wo kaufen sie ein, und was treiben sie sonst noch so. In China machen das Behörden, Da gibt es einen „Sozial Score“. In Deutschland träumt Parkvision von der Kontrolle mit der Digitalen Schranke. Sie kommen an einen Eingang (Museum, Stadion, Parkhaus) und das System sucht in der Datenbank und weiß wer sie sind, wenn ihre Bankdaten auch in der Datenbank vorhanden sind haben sie mit dem nächsten Schritt die Vertragsbedingungen akzeptiert und bezahlt.
Durch die Anbringung der Kameras in der Höhe von 4Meter kann nicht ausgeschlossen werden das auch der öffentliche Raum überwacht wird. Das ist sicherlich notwendig da der beste Überwachungswinkel für die Erkennung des KFZ Kennzeichen sich ergibt wenn der PKW von der Straße auf den Parkplatz einbiegt. Was jetzt schon geht sind Auswertungen die Parkvision als Marketing Information ihren Kunden anbietet. Ich weiß nicht was sich dahinter verbirgt, möglicherweise werde ich beim nächsten Einkauf mit Name angesprochen und mir verraten was die Nachbarin so eingekauft hat. Das wäre noch ganz lustig aber vielleicht entdeckt das Personal Tracking mich auf einer Versammlung in einem privaten Raum von einem ParkVision Kunden wo ich nicht sein sollte und das wäre nicht so lustig. Aber was ist wenn eine Frau aus einer Abtreibungsklink kommt und der Parkplatz von Parkvision überwacht wird
Ich setze große Hoffnung auf den neue EU KI Gesetzentwurf die ‚risikoreiche, KI Anwendungen verbieten wird.
Vielen Dank für diese sehr informative Ergänzung! Ja, Überwachung ist ein Thema, mit dem wir uns noch gründlicher beschäftigen müssen.
ich habe dort eingekauft und trotzdem Strafzettel und die Mitarbeiter von Roller darauf noch aggressiv
Nach 4 Monaten nach dem vermeintlichen Verstoße meines vertragswidrigen Parkens erhalte auch ich das bösartige Schreiben mit der Zahlaufforderung für den 3/5- minütigen Aufenthalt (für ein kurzes Gebet) auf diesem zu dem angegebenen Zeitpunkt kaum belegten Parkplatz! Was ist, wenn ich die 40 Euro nicht zahle? Oder vielleicht müsste ich kurz telefonieren, was mir im Straßenverkehr ohne entspr. Ausrüstung nicht erlaubt ist; um dem Gesetz Folge zu leisten muss ich eine Geldstrafe zahlen? Was denn, wenn ich diese nicht begleiche?
Frage: Seit Google Streetview September 2023 bis März 2024 wurden neue Schilder aufgestellt. Weiß jemand, wann das war?
Es gibt einen Unterschied für den Zeitraum davor und den Zeitraum danach, denn bei Google-Streetview war das Schild an der Einfahrt für einen Fahrer nicht sichtbar, auf jeden Fall vom Busch versteckt.
Datenschutzgrundverordnung erfordert das EINVERSTÄNDNIS des Fahrers. Einverständnis könnte nach 305BGB erfolgen. Dazu muss man die AGB in zumutbarer Weise zur Kenntnis nehmen können. Die AGB seien vereinbart, wenn man auf die Parkfläche fährt. Die beginnt aber schon vor dem Schild. Damit können die AGB nicht vereinbart werden. Ich muss auch die Möglichkeit haben, wenn mir die AGB nicht gefallen, die Parkfläche zu meiden. Fahrt’s mal rückwärts zurück auf die Straße…? Hochgefährlich. Und wenn ich vom dem AGB Schild anhalte? Dann stehe ich mit dem Auto auf dem Gehweg und blockiere diesen. Brauche ich länger als 3 Minuten, um das Schild zu lesen? In jedem Fall. Dann parke ich auf dem Gehweg. Was sagt der Bußgeldkatalog dazu? Parken minimum mit Behinderung kostet 70€ und 1 Punkt. Ist das „zumutbar“ im Sinne von 305BGB ? Garantiert nicht. Somit KÖNNEN die AGB von denen gar nicht vereinbart werden mit der Folge, dass sie die Knöllchen vergessen können. Hier ist dringend der Datenschutzbeauftragte gefordert.
Das ist ein sehr interessanter Aspekt, der vor Gericht durchaus eine Rolle spielen kann. Leider wissen wir zu wenig von Google Streetview, aber mit der Argumentation kann man einem Bußgeldbescheid bestimmt erst einmal widersprechen.
Hallo, Ich bin aus Versehen(wollte zum McDonald und habe die Einfahrt verwechselt) durch den Roller Parkplatz
gefahren, um von hinten wieder zum Mc Donald zu gelangen und prompt 40 € Strafzettel von Parkvision bekommen.
Wie kann ich mich dagegen wehren?
Mfg
Jan Lesniewski