Offenbach, den 18.06.2025

Herrn
Stadtverordnetenvorsteher
Stephan Färber
im Hause


Anfrage der Ofa-Fraktion nach § 50 HGO

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,

gemäß § 50 HGO richten die Stadtverordneten der Ofa-Fraktion die nachstehende Anfrage an den Magistrat mit der Bitte um Beantwortung innerhalb der geschäftsordnungsgemäßen Frist.

Vorbemerkung:

Der Rechtsanspruch der Eltern auf eine ganztägige Betreuung / Beschulung für Grundschulkinder – beginnend zum Schuljahr 2026 / 2027 für den ersten Schuljahrgang, dann jährlich aufsteigend bis zum Schuljahr 2029/ 20230 für alle Grundschuljahrgänge – wurde im Herbst 2021 vom Bundestag mit der Novellierung des SGB VIII § 24 verabschiedet (Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG)). Er richtet sich als Jugendhilfeleistung zunächst an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

Es gab für das Land Hessen und die Stadt Offenbach sehr viel Zeit, um die Umsetzung des Rechtsanspruchs für die Grundschulkinder und ihre Eltern in Offenbach für die Schulen und Kitas zu planen.

Der Rechtsanspruch der Kinder bzw. ihrer Eltern umfasst eine mindestens achtstündige, bei Bedarf längere tägliche Betreuungszeit auch in den Schulferien mit Ausnahme der Schließtage. Die Rechtslage ist dabei kompliziert, schulische Angebote unterliegen bei gebundenen Ganztagsschulen der Schulpflicht, offene Angebote dem Jugendhilferecht.

Offenbach hat auf Initiative des zuständigen Dezernates und des damaligen Jugendamtsleiters das bundesweit wegweisende Modell der Ganztagsklassen eingeführt, in dem bereits verlässliche Betreuungszeiten bis 18:30 Uhr erbracht werden und das in vielen Grundschulen in Offenbach umgesetzt wird. Dabei wird eine Fachkraftausstattung wie im Hort den Schulen für die ganztägige Betreuung nach den Unterrichtszeiten „zur Verfügung“ gestellt mit dem Ziel einer möglichst engen Verzahnung. Die Ganztagsklassen stellen Hortangebote an Grundschulen dar und sind für die Eltern gebührenpflichtig. Betreuungsangebote an Grundschulen, soweit sie schulische Angebote sind, müssen gebührenfrei angeboten werden.

Die verlässliche Betreuungszeit kann nach der Novellierung des SGB VIII an Grundschulen durch verlängerte Unterrichtszeiten (gebundene Ganztagsgrundschule), in Horten oder in Betreuungsangeboten an Grundschulen im Anschluss an den Unterricht erfüllt werden. Bei Bedarf sind Betreuungsangebote über die acht Stunden hinaus von den Kommunen oder dem öffentlichen Jugendhilfeträger zu gewährleisten.

Wir möchten heute im Interesse der Kinder und Eltern in Offenbach anfragen, wie der Stand der Planung und Vorbereitung der Umsetzung des Rechtsanspruchs in Offenbach ist.

Der federführende Planungsauftrag richtet sich in der Folge des SGB VIII an den öffentlichen Jugendhilfeträger, das Schulamt der Stadt (Gebäude etc.) und in zweiter Linie an das Land Hessen, vertreten durch das Staatlichen Schulamt.

Die Situation in den Stadtteilen, Grundschulen und Hortangeboten stellt sich heute sehr unterschiedlich dar. Die Betrachtung sollte daher bezogen sein auf die Schulbezirke und die einzelne Grundschule und die bestehenden oder zu schaffenden Horteinrichtungen.

Die bisherigen Investitionen in Ganztagsklassen waren Ausdruck politischer Verantwortung. Es handelt sich um bewusst eingesetzte Mittel mit einem konkreten Ziel, nämlich Chancengleichheit. Präventive Bildung und gezielte Ganztagsförderung können nachweislich helfen, Kinder zu fördern, bevor Probleme entstehen, nicht, nachdem sie manifest geworden sind. Diese Gelder ermöglichen es, sozial benachteiligte Kinder frühzeitig aufzufangen, die Schulabbrecherquote zu senken und langfristig Kosten in anderen Bereichen wie etwa der Eingliederungshilfe zu vermeiden. Eine Umverteilung dieser Mittel wäre nicht nur ein Rückschritt in der Bildungspolitik, sondern ein fatales Signal. Sie würde bestehende Erfolge gefährden, zentrale Kinderrechte ignorieren und auf lange Sicht deutlich höhere Folgekosten verursachen, finanziell wie gesellschaftlich.

Der Stadtelternbeirat beklagt in einer Pressemitteilung vom 04.05.2025, „dass bislang weder ein tragfähiges Finanzierungskonzept vorliegt noch ein strukturierter Diskussionsprozess zur Mittelverteilung trotz Zeitdrucks angestoßen wurde. Das historisch gewachsene System soll nun neu geordnet werden. Dabei stehen bestehende Ganztagsklassen zur Disposition – ohne dass klare Alternativen aufgezeigt werden.“ Die Eltern fordern „ eine strategische Neuausrichtung mit einem transparenten und gerechten Verteilungsmodell, das die unterschiedlichen Bedarfe der Schulen und Stadtteile berücksichtigt“. Den betroffenen Schulen stehen derzeit keine verbindlichen Budgetrahmen zur Verfügung. Sie planen faktisch ins Blaue – ohne zu wissen, wie viele Mittel ihnen zustehen, welche Angebotsstruktur möglich ist oder wie das Verhältnis zwischen Personalaufwand und Qualität aussehen kann. Diese Unklarheit ist weder trag-, noch vereinbar mit dem Anspruch, allen Kindern eine verlässliche, hochwertige Ganztagsbetreuung zu garantieren.

Die Eltern befürchten auch, dass die Qualität der Betreuung sinkt, insbesondere wenn ungelernte Kräfte eingesetzt werden.

Vor allem fordert der Elternbeirat einen „ echten politischen Prozess mit Beteiligung aller relevanten Akteure – Eltern, Schulen, Trägern, Verwaltung und Politik. Nur gemeinsam kann ein gerechtes, tragfähiges und qualitativ hochwertiges Modell für die Ganztagsbetreuung in Offenbach entstehen“.

Hierzu haben wir folgende Fragen:

  1. Wie ist die Rechtslage bei Betreuungsangeboten Dritter oder im Pakt für den Nachmittag geregelt – gilt hier das Schulrecht (Öffnung von Schule) oder das Jugendhilferecht oder ist eine Mischform geplant?
  2. Wird durch die Umsetzung des Rechtsanspruches an Grundschulen die tägliche Anwesenheitspflicht / Schulpflicht auf acht Stunden am Tag verlängert?
  3. Welche Stelle(n) ist / sind für die inhaltliche und personelle Ausgestaltung der neu geschaffenen Nachmittagsangebote hoheitlich verantwortlich?
  4. Welche Vereinbarungen wird zwischen den Schulämtern und der Stadt Offenbach bezüglich der Ganztagsangebote an Grundschulen getroffen?
  5. Wie viele Grundschüler_innen werden für die Schuljahrgänge 2026/2027 bis 2030/2031 erwartet?
  6. Wie viele Grundschüler_innen haben heute einen Platz in einer der vielen Formen der Betreuung nach dem Unterricht und wie lange ist die durchschnittliche Betreuungszeit inkl. des Schulbesuches?
  7. Wie groß ist die Versorgungslücke, die vom Stand derzeitiges Schuljahr bis zum vollen Anspruch 2030 in den kommenden Schuljahren besteht?
  8. Wie viele Hortplätze in welchen Schulbezirken bestehen (differenziert nach: selbständigen Horten und wie viele Plätze in Ganztagsklassen – integrierte Horte – werden vom EKO und den von freien Trägern vorgehalten? An welchen Schulen werden diese Plätze vorgehalten?

Das Land Hessen fördert sogenannte Ganztagsangebote in vier Formen, dem Pakt für den Nachmittag und in den Profilen 1, 2, und 3. Davon können nur die Profile 2 und 3 die Anforderungen des Gesetzes über eine tägliche Betreuungszeit von acht Stunden erfüllen.

  1. An welchen Grundschulen in staatlicher und freier Trägerschaft gibt es derzeit Ganztagsangebote im Pakt für den Nachmittag:

  1. Ist es geplant Ganztagsklassen/-jahrgänge/-züge vom Land Hessen bis 2030 nach dem Profil 2 auszubauen? An welchen Schulen werden damit wie viele zusätzliche Plätze geschaffen?
  2. Ist es geplant Ganztagsklassen /-jahrgänge/-züge vom Land Hessen bis 2030 nach dem Profil 3 auszubauen? An welchen Schulen werden damit wie viele zusätzliche Plätze geschaffen?
  3. Bitte stellen Sie für alle Schulen und Schulbezirke differenziert dar, wie sich die heutige Versorgungssituation der Schulkinderbetreuung und der schulischen Ganztagsangebote darstellt. Bitte differenzieren Sie nach der jeweiligen Schule nach vorhandenem Budget und dem Personalschlüssel (Betreute Kinder pro Stelle), sowie der Art und dem Träger (freier Träger der Jugendhilfe, Sportverein, EKO, Elternverein etc.) des Angebotes.
  4. Angesichts der von Schulbezirk zu Schulbezirk und Schule zu Schule unterschiedlichen Ausgangssituation bitten wir für die Grundschulen in staatlicher und freier Trägerschaft eine nach Schulen und Bezirken differenzierte Darstellung, in welcher Form der Anspruch auf achtstündige Betreuungszeit an der jeweiligen Schule beginnend mit dem ersten Jahrgang im Schuljahr 2026/2027 umgesetzt werden soll. Bitte geben Sie dabei an, welche personellen, finanziellen und sonstigen Ressourcen (Stellen, Räume, Sachmittel) jeweils von der Seite des Landes und der der Stadt Offenbach eingesetzt werden. Bitte geben Sie auch für jeden Fall an, ob das Angebot gebührenpflichtig für die Eltern sein wird.
  5. In welcher Höhe fließen der Stadt Offenbach Mittel des Bundes für das Ganztagsprogramm an Grundschulen zu?
  6. In welcher Höhe fließen der Stadt Offenbach Mittel des Landes Hessen für das Ganztagsprogramm an Grundschulen zu?
  7. Welche finanziellen Mittel plant die Stadt Offenbach derzeit für die Ganztagsangebote an Grundschulen (Betriebskostenzuschüsse und investive Kosten) aufzubringen? Bitte differenzieren Sie nach Angeboten der Jugendhilfe, schulischen Angeboten und sonstigen Angeboten.
  8. Welche Mittel sind zur Erfüllung des Rechtsanspruchs in den vier Schuljahren beginnend 2026 von der Seite des Landes Hessen (Bundesmittel und Landesmittel) und Mittel in welcher Höhe der Stadt Offenbach in den Haushalt eingeplant?
  9. Wie wird der Bedarf an Betreuungszeiten für Kinder im Grundschulalter über acht Stunden hinaus eingeschätzt und wie, an welchen Orten soll er erfüllt werden?
  10. Wie hoch schätzt die Stadt Offenbach den Betreuungsbedarf von Kindern im Grundschulalter über die acht Stunden des Rechtsanspruches hinaus ein?
  11. Auf welche Weise plant die Stadt Offenbach ab dem Schuljahr 2026/2027 Betreuungsbedarfe von Kindern im Grundschulalter über die acht Stunden des Rechtsanspruches hinaus zu erfüllen?
  12. Werden die Hortangebote entsprechend der Bedarfe und Betreuungswünschen der Eltern ausgebaut?
  13. Wird das Ganztagsklassenprogramm an Grundschulen ausgebaut und wenn ja, um wie viele zusätzliche Plätze?
  14. Wie ist der geplante Personalschlüssel pro Kind in Nachmittagsangeboten an Grundschulen bei Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes (GaFöG) ab dem Schuljahr 2026/2027? Bitte differenzieren Sie nach Grundschulen.
  15. Wie plant die Stadt Offenbach das Wunsch- und Wahlrecht nach §5 SGB VIII der Eltern bei Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes (GaFöG) zu erfüllen, wenn diese das Angebot der Grundschule Ihres Kindes nicht wahrnehmen wollen oder können?
  16. Wird es mit Erfüllung des Rechtsanspruches den Schüler_innen mit Nachmittagsangeboten, möglich sein, das Angebot ihrer Grundschule nicht wahrzunehmen und stattdessen andere Angebote, wie die Musikschule oder Sportvereine, zu besuchen?
  17. Wie viele Stellen wird die Stadt Offenbach aus Ihrem Haushalt zur Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes (GaFöG) an den Grundschulen finanzieren?
  18. Wird das Land Hessen Stellen an Grundschulen in Offenbach zur Erfüllung des Rechtsanspruchs nach dem GaFöG finanzieren?
  19. Welche Angebote durch Dritte (Vereine, freie Träger, etc.) sind zur Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes (GaFöG) an Grundschulen geplant oder sollen geplant werden?
  20. Welche Angebote durch die Schulen / dem Land Hessen sind zur Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes (GaFöG) an Grundschulen geplant oder sollen geplant werden?
  21. An welchen Grundschulen wird der Rechtsanspruch auf den Ganztag durch Erweiterung des Unterrichts sowie der Angebote der Ganztagsgrundschulen nicht umgesetzt?
  22. Welche (Ganztags-)Angebote sind im Rahmen des Ganztagsförderungsgesetzes an den Grundschulen während der Schulferien geplant?
  23. Wie wird die Betreuung von Grundschüler_innen mit Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an den Grundschulen während der Schulferien organisiert?
  24. Plant die Stadt Gebühren oder Essensentgelte für die Nachmittagsbetreuung zur Erfüllung des Rechtsanspruches nach GaFöG ab dem Schuljahr 2026/27 zu erheben? Sofern unterschiedliche Gebühren für verschiedene Angebote geplant sind, differenzieren Sie bitte nach Angebot.
  25. Ist geplant, einen strukturierter Diskussionsprozess zur zukünftigen Struktur und Mittelverteilung einzurichten, unter Beteiligung von Eltern, Schulen, Trägern, EKO, Verwaltung und Politik?
  26. Ist geplant, auch das Kinder- und Jugendparlament; den Stadtschülerrat und den Stadtelternbeiräte für die Kindertagesstätten und die Schulen miteinzubeziehen?

gez.
Dr. Annette Schaper Herget
Fraktionsvorsitzende



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