Wir haben bekanntlich in Offenbach viele Probleme: Das Geld ist zu knapp, zu viele Stellen sind unterbesetzt, die Verwaltung priorisiert selbst, ohne lästige demokratische Interventionen, welche Aufgaben sie umsetzt und welche sie liegenlässt (Offenbach-Post vom 22.02.: „Verwaltung am Limit“). Was sind da schon Klima- und Umweltthemen? Man muss schließlich priorisieren!

Da wirkt die Idee, den Verfall hessischer Streuobstwiesen aufzuhalten oder sogar umzukehren, wie ein Luxus. Als wir vor einem Jahr schon einmal einen Antrag zum Thema gestellt haben, betonten die Grünen, dass die Idee, Apfelbäume zu pflanzen, sie eher an den Tod erinnert, andere Redner fanden Äpfel nichtssagend und außerdem können die Leute in Offenbach sie ja auch nicht von Pflaumen unterscheiden.


Unser Antrag

Wir haben einen Antrag gestellt, dass die Stadt prüfen möge, wie die Streuobstwiesen in Offenbach gepflegt und ausgebaut werden können. Streuobstwiesenpflege hat Vorteile für die biologische Vielfalt und die Natur, und ebenso für die Kultur, das soziale Miteinander und die Integration. Die schwarz-grüne Landesregierung stellt für eine Vielzahl von möglichen Projekten Fördermittel bereit, so dass bei einer Beteiligung keine weiteren Kosten auf die klamme Kasse unserer Stadt hinzukämen. Fördermittel liegen bereit, man muss nur zugreifen. Es gibt viele Szenarien, was möglich ist, einige davon erfordern nicht viel Aufwand seitens der Stadt. Wir beantragen erst mal die Erstellung einer Übersicht, welche Projekte möglich sind, was der Aufwand dafür wäre und welche der vielen Fördertöpfe dafür genutzt werden können. Viele hessische Gemeinden beteiligen sich bereits, Offenbach leider noch nicht. In diesem Beitrag wollen wir die Vorteile für Natur und Kultur, die Situation in Offenbach und Hessen, das Förderprogramm der Landesregierung und Projektideen für Offenbach erläutern.

Warum finden wir Streuobstwiesen wichtig?

Warum finden wir Streuobstwiesen wichtig? Streuobstwiesen sind wichtig sowohl für die Natur als auch die Kultur.

Sie haben für lange Zeit das Landschaftsbild in Hessen geprägt, bieten Lebensraum für eine Vielfalt von Pflanzen und Tieren, beherbergen unzählige Insektenarten, viele bedrohte Vogelarten und kleine Säugetiere und bieten Nahrung und Nistmöglichkeiten für Wildbienen. In Obstbäumen nisten der Steinkauz und andere Wildvögel, denen dadurch auch wieder mehr Lebensraum geboten werden kann. Durch eine Umkehr des bisherigen Verlusts von Streuobstwiesen-Biotopen wäre es möglich, diese gefährdeten Arten auch auf dem Stadtgebiet Offenbach wieder anzusiedeln. Der NABU hat sich in den letzten Jahren viele Verdienste erworben, den Steinkauz in der Region wieder anzusiedeln. Der Klima- und Umweltschutzpreis der Stadt Offenbach ging im Jahr 2019 an die Vereinigung für Vogel- und Naturschutz, die damit neue Nisthilfen finanziert hat. Auch der NABU teilt uns mit, dass er speziell im Offenbacher Stadtgebiet deutliche Defizite bezüglich der Streuobstwiesenkultur sieht.

Internationale Apfelweinverkostung

Auch für die Kultur und das soziale Miteinander sind Streuobstwiesen wichtig. Sie sind Teil unserer traditionellen Kultur. Gemeinsames Keltern und Kelterfeste sind eine ideale Gelegenheit für soziales Miteinander, das auch für die Integration gut geeignet ist. Gerade in Offenbach gibt es immer mehr Kelterfeste mit internationaler Beteiligung. Im März 2022 ist die Apfelweinkultur in die Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden.

Die Situation in Offenbach

Vor wenigen Jahren hatte dieser Apfelbaum in Bieber noch viele Äste und üppig getragen

Obwohl in Offenbach am wenigsten passiert, gibt es auch bei uns Offenbachern eine Streuobsttradition, aber leider verkümmert sie. Die Zahl der Apfelbäume nimmt stetig ab. Sie werden nicht gepflegt, vom Sturm umgeknickt, vom Bauer gefällt und umgepflügt. Viele Besitzer und Besitzerinnen sind inzwischen Erben und Erbengemeinschaften, die kein Interesse haben. Manche sind zu alt und ihre Kinder haben kein Interesse. Viele Besitzerinnen haben ihre Fläche noch nie gesehen, manche Erbengemeinschaften sind zerstritten und scheuen den Verkauf. Es gibt auch Besitzer, die weggezogen sind oder nie in Offenbach gewohnt haben, z.B. das Krankenhaus zum Heiligen Geist in Frankfurt, dem einige Flurstücke offensichtlich per Testament zugefallen sind. Daher werden die Flächen einfach landwirtschaftlich beackert, meistens völlig ohne Pachtvertrag.

Die Flächen in Offenbach, die nach Gewohnheitsrecht landwirtschaftlich genutzt werden, sind zum Teil recht groß, aber sie sind in viele Flurstücke unterteilt, die über 100 verschiedenen Eigentümer haben. Ursprünglich hatten diese zum großen Teil noch den Charakter von Streuobstwiesen. Beispiele für solche Felder liegen z. B. in Bieber (siehe anliegende Karte, auf der die Flächen und die Lage einiger Streuobstwiesen nach Augenmaß grob skizziert sind). Hier hat es noch vor wenigen Jahren viele Apfelbäume gegeben, inzwischen sind sie fast völlig verschwunden. Wege, die noch im Grundbuch eingezeichnet sind, sind umgepflügt worden, viele Apfelbäume wurden einfach gefällt statt gepflegt. Hier bietet es sich an, auch Grundstücke in Privatbesitz an Interessenten zu vermitteln, die sie pflegen oder kaufen wollen.


Flächen in Bieber mit Flurstücken vieler verschiedener Besitzer, nach Augenmaß eingezeichnet, Karte: Openstreetmap.
Diese Fläche in Bieber (Teil von Flur 21, siehe Karte) wird seit Jahren überpflügt. Früher gab es hier viele Apfelbäume.
Eine Streuobstwiese in Bieber

Offenbach bietet viel Potential um die hessische Streuobsttradition weiterleben zu lassen. z.B. in Bieber, Bürgel und Rumpenheim. Dort tun sich Bürginnen und Bürger zusammen, die Interesse an der Apfelweinkultur und Streuobstwiesenpflege haben. Es gibt es auch Interessenten, die kein Grundstück besitzen, aber durchaus Interesse an der Apfelweinkultur und Streuobstwiesenpflege hätten. Oft scheitert ihr Engagement aber an mangelndem Zugang, an mangelndem Wissen und an mangelnder Unterstützung.

In dieser Karte von 2011 sind Streuobstwiesen in und rund um Offenbach eingezeichnet. Im Vergleich zu manchen anderen Gemeinden sind es wenige. Seit 2011 sind wieder einige verschwunden, dieser Trend muss umgekehrt werden.

Das Förderprogramm „Hessische Streuobstwiesenstrategie“

Die schwarz-grüne Hessische Landesregierung hat eine umfangreiche Strategie in Leben gerufen, zur Pflege der hessischen Streuobstwiesen, die Hessische Streuobstwiesenstrategie. Diese will „den Fortbestand und Ausbau der Streuobstwiesen mit ihrer biologischen Vielfalt fördern“. Für die Umsetzung stellt sie jährlich bis zu 1 Million Euro bis zum Jahr 2025 an Fördermitteln zur Verfügung. Damit soll eine Vielzahl von Projekten gefördert werden, sowohl von Einzelpersonen, von Verbänden und Vereinen und von Kommunen.

Immer mehr hessische Kommunen sind schon stark in der Streuobstwiesenpflege engagiert, darunter der Wetteraukreis, Maintal, der Landkreis Gießen, oder Frankfurt. Traurigerweise hat sich in Offenbach bisher nicht viel getan.

Die Hessische Streuobstwiesenstrategie beabsichtigt, hier abzuhelfen, indem sie verschiedenartige Projekte fördern will. Beispiele für förderungswürdige Projekte sind Beratung, Fortbildung, Pflege, Neupflanzung und Vermittlung.

Eine Stelle, die bei allen solchen Projekten hilft, ist das MainÄppelHaus Lohrberg. Im März 2022 hat der Regionalverband FrankfurtRheinMain zusammen mit dem MainÄppelHaus das „Regionale Streuobstzentrum“ für die Region Südhessen gegründet.

Besonders interessant für Offenbach ist die Vermittlung von Flächen mit dem Projekt Pflege gegen Nutzung des MainÄppelHauses: Dabei identifizieren die Projektbeteiligten Einzelparzellen, ebenso pflegen sie eine Liste von Interessierten, die eine Parzelle bearbeiten oder kaufen wollen. Wenn es ihnen gelingt, die Eigentümer zu ermitteln, können die Interessenten vermittelt werden. Es gibt zahlreiche Interessenten und auch schon viele Erfolgsmeldungen. Das MainÄppelHaus hat uns mitgeteilt, dass auch Offenbacher Interessenten und Parzellen in das Projekt aufgenommen werden können. Für eine erfolgreiche Vermittlung werden die Daten der Eigentümer benötigt. Das wäre im Wesentlichen die Aufgabe der Stadt, solche Daten zur Verfügung zu stellen, die Vermittlungsarbeit machen dann andere. Das MainÄppelHaus würde auch Schulungen und Betreuung übernehmen.

Es wäre sehr schön, wenn unser Antrag angenommen würde. Eine Beteiligung am Förderprogramm der Landesregierung könnte viele kleine Keime setzen und den Trend zur Zerstörung der Apfelweinkultur umkehren.

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